Eine Marginalie zum Thelen-Sonderteil aus dem Muschelhaufen 38:

 

Albert Vigoleis Thelen und Werner Helwig – Beinahe eine Begegnung (1978)

 

Der Schweizer Fotograf Horst Tappe machte 1978 anläßlich des 75. Geburtstags Thelens ein Pressefoto. Werner Helwig sollte dazu einen Text schreiben, versuchte telefonisch kurzfristig einen Termin mit Thelen zu arrangieren, was scheiterte: „Wie mich das Telefon soeben belehrt hat, stimmen unsere inneren Tempi nicht überein. Sie leben ganz der charmanten Umständlichkeit eines alten Herrn – ich, wenn auch gleichaltrig, bin rasch von Entschluß und sparsam im Wort.“ (H. an Th., 14.9.78)

Der Helwig-Brief überschnitt sich mit einem Brief Thelens: „Ich schleune mich Ihnen zu schreiben, nach dem verkorksten telefonischen Gespräch... das beste, was wir miteinander tun können, ist wohl, daß wir nichts tun, denn in den mir noch verbleibenden 10 Tagen kann ich eine Fahrt nach Genf nicht unterbringen... warum nur zerrt man einen Verschollenen und von wenigen beweinten wieder an die Öffentlichkeit, – weil der Kalender so will?“ (Th. an H.,14.9.78)

 

Helwigs Bitte, zwei Seiten Notizen als Grundlage für einen Text zu schicken, lehnt Thelen am 16.9. ab: „Ihnen jetzt etwas über mich zu entwerfen, für eine Geburtstagsadresse, das wäre doch wie ein Schnittmuster, nach dem geschneidert wird, – ich kann es nicht...“

 

Helwig antwortet, daß er 1½ Seiten „freundschaftliche Würdigung“ zuwegegebracht habe, würde Thelen gerne einmal „nicht einem Anlaß zuliebe“ aufsuchen und fährt fort: „Ebenso erfreulich wär's natürlich, Sie hier zu empfangen. Zwar bin ich seit 5 Monaten ohne meine Frau, deren Verlust mich wieder in die Einsamkeit eines jungen Mannes zurückwirft, der ich mit 30 war – nur daß ich heute 74 bin. Zu spät, um neu anzufangen, zu früh, um Schluß zu machen. Die Arbeit ist die beste Droge...“ (H. an Th., 21.9.78)

 

Thelen dankt am 10.11. Helwig für seine Hinweise an die Presse, zumal „da ich Ihnen nicht einmal die nötigsten Angaben habe zukommen lassen..., zudem habe ich – Leidwesen meiner Verleger – nicht den mindesten liter. Ehrgeiz. Ihre Vergleiche sind hoch gegriffen! Soit. – Groteskes hat sich dabei wiederholt ergeben: ich bin einer der ungezählten Thelen vom Niederrhein; darüber hinaus kommt, von den innerdt. Völkerwanderungen abgesehen, der Name nicht vor. Leopold Fabrizius war mein Pseudonym von 1933 - 10. Mai 1940 als Referent in Vaderland (Den Haag) über Duitse letteren in den vreemde. Die hiesige Post hat sofort einen Laufzettel losgelassen und so ermittelt, daß dieser Fabrizius ein Pseudonym ist, – hätte die Gestapo in der Schweiz, Spanien, Frankreich und Portugal so gut gearbeitet, man hätte uns beseitigt...“

 

Thelen schickt Helwig das Pacoaes-Buch, um das er gebeten hatte. Er schreibt von der Krankheit seiner Frau Beatrice, worauf Helwig noch einmal auf seinen Zustand nach dem Tod seiner Frau zu sprechen kommt: „Ich weiß noch gar nicht, wie ich mich mit diesem Zustand einrichten soll. Das heißt: Ich lebe provisorisch, ich lebe, wie wenn es nicht so wäre, und wenn man dann immer wieder darauf gestoßen wird, daß es so ist (besonders nachts tritt das ein, wenn die Schlaftablette nicht mehr vorhält...) dann geschieht so etwas wie eine völlige Umwälzung meines inneren Menschen, eine Verwirbelung, ein Untergehen...“ (H. an Th.,14.12.78)

 

(Der Briefwechsel wurde nicht fortgesetzt, eine persönliche Begegnung fand nicht statt.)

 

 

 

   >> zurück zur A.V. Thelen-Seite

   >> zurück zur Muschelhaufen-Hauptseite