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Ursula Prause:
„Muschelhaufen
und Dünenschutt / Werner Helwig und Erik Martin“
(Auszüge aus einem längeren Beitrag im Muschelhaufen Nr. 47/48)
[…] „Man muss „das Seil weit zurück werfen“ – um mit Helwig zu sprechen –,
wenn man an die Anfänge deiner Beziehung zu Helwig gelangen will.
In deiner autobiographischen Skizze DIE SCHWIERIGEN JAHRE stellst du es so
dar: „Bei der ‚Lagerfeuer’-Lektüre stieß ich auch auf den Namen Werner
Helwig. Der poetische Zauber seiner dort veröffentlichten baskischen Novelle
‚Der gefangene Vogel’ berührte mich, seine nerothane Vergangenheit machte
mich neugierig, und bis zum Abitur hatte ich alle erreichbaren Bücher dieses
Schriftstellers, mit dem ich viele Jahre später einen bis zu seinem Tode
dauernden Briefkontakt pflegte, gelesen.“
DER GEFANGENE VOGEL war also Initialzündung für
deine Beziehung zu Helwig – ein Beweis, dass du schon früh ein nicht
alltägliches, ausgeprägtes Gespür für literarische Kostbarkeiten gehabt hast;
denn Helwig selbst hat dieses Werk – außer WALDREGEN – als seine „reinste
Findung“ bezeichnet. Dass du auf ein Buch mit diesem Titel gewissermaßen
geflogen bist, erklärt sich aber wohl auch aus deiner damaligen
Lebenssituation.
Es ist frappierend, wie viele Parallelen es zwischen
deiner und Helwigs Biographie gibt. Aufgewachsen in Vor-, Kriegs- und
Nachkriegsjahren – für Helwig war es der 1., für dich der 2. Weltkrieg –,
habt ihr beide in Konfrontation mit einem übermächtigen Vater schwierige
Jahre durchstehen müssen, habt euch abgeschoben, einsam, verlassen und
eingesperrt gefühlt, habt einen unbändigen Freiheitsdrang entwickelt, die
Schule vernachlässigt, seid ausgebrochen, auf Fahrt gegangen, habt in der
Jugendbewegung Heimat gefunden. Insofern seid ihr beide „bündische Menschen“
und ohne Jugendbewegung nicht zu denken.
Trotzdem hat sich euer beider Leben nicht darin
erschöpft. Die Liebe zu Dichtung, Musik und Kunst wurde für euch beide
lebensbestimmend.
Lesedurst und Bücherbesessenheit waren bei euch beiden offensichtlich sehr
früh stark ausgebildet. Du hast ebenfalls früh begonnen, zu schreiben, auch
Lieder zu komponieren, hast u.a. auch einen Text von Helwig vertont („Kinder
blieben wir alle“).
Du warst von klein auf so etwas wie ein „Waldmensch“
– bedingt durch das „botanische Hobby“ deiner Eltern, sich für Pflege und
Erhaltung des nahen Grenzwaldes einzusetzen. Du warst Leiter von bündischen
Grenzwald-Jugendgruppen (und später in der Deutschen „Waldjugend“ tätig), für
die du in den 60er Jahren, den „wilden Sechzigern“, das kleine
Mitteilungsblatt GRENZWALDFAHRER (gwf) herausgabst. Auch spätere
Publikationen belegen deine Affinität zum Thema Wald.
[…]
„Wald“, metaphorisch gebraucht, spielt also in
Helwigs Werk eine zentrale Rolle.
Helwig hat sich aber auch ganz real mit dem Thema
Wald befasst, mit Fragen des Umwelt- bzw. Naturschutzes u.a. angesichts des
drohenden Waldsterbens – also auch in dieser Hinsicht eine Parallele.
Mit einem Paukenschlag bist du 1969 mit Helwig
brieflich in Kontakt getreten – du 33, Helwig 61 Jahre alt. Du schicktest ihm
das gwf-Heft Nr.15 mit der Bitte, etwas von ihm in der nächsten Ausgabe
veröffentlichen zu dürfen, konfrontiertest ihn aber zugleich mit der
Zusammenfassung eines sehr kritischen Gesprächs, das du im Kreis deiner
Grenzwaldfahrer über Helwig geführt hattest. Helwig bekam zu lesen, den Bezug
zur Jugend verloren zu haben, als Dichter in Genf gestorben, in Agonie
verfallen zu sein u.a. mehr. Er reagierte mit einer kritischen Stellungnahme
zum gwf-Heft („Wer sich da immer wieder bemüßigt fühlt, sein intellektuelles
Bedürfnis am Standbild des Opas zu verrichten, sollte sich ... warnend klar
machen, wie schnell er selber einer wird“) und auf die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe mit einem sein Verhalten erklärenden Brief an seine „Liebe Kameraden,
liebe Freunde“ – „Euch von Herzen dankbar für die Erwartungen, die ihr in
mich setzt“. Du versprachst Besserung. Damit waren die Fronten geklärt.
Das nächste Grenzwaldfahrer-Heft kam unter neuem
Namen als MUSCHELHAUFEN heraus. Du schriebst zur Umbenennung: „die Zeiten der
‚Grenzwaldfahrer’ sind lange vorbei ... Ein neuer Name ist gefunden, und ein
Bild soll zu hohe Erwartungen dämpfen: schillernd bunte, auch schon
zerkratzte, manchmal kleine und seltsam verformte Muscheln liegen vor dem
Leser. Er mag sie öffnen, aber wir möchten warnen: echte Perlen findet man
selten.“
Die erste Ausgabe (Nr.16) geriet fast zu einem
Helwig-Heft, und […]
Lesen
Sie den gesamten Text in der Druckausgabe des Muschelhaufen Nr. 47/48-2007!
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